Schwanberg bei Würzburg

Portrait Christian Bauer am Schwanberg bei Würzburg

Der Schwanberg ist für mich ein besonderer Ort. In der Nähe meiner Heimatstadt Würzburg gelegen, markiert er ein topografisches Dazwischen: den Übergang vom rauen Steigerwald ins sanfte Maintal („Fränkische Toskana“). Ich liebe es, mir den Schwanberg selbst zu erwandern: den Fußweg vom Bahnhof Iphofen über die Altstadt (mit dem schwer romantischen Rödelseer Tor) durch die Weinberge hinauf zu den evangelischen ‚Benediktinerinnen‘ mit ihrer modernen Kirche und dem spätmittelalterlichen Schloss.

Durchatmen, ins Weite schauen

Hierhin ging meine erste Klassenfahrt im Gymnasium – wir waren Zelten auf dem Sportplatz von Rödelsee. Hierher haben wir uns im Studium zum Lernen auf das Vordiplom zurückgezogen. Hier mach(t)en wir auch immer unseren familiären Heimaturlaub (inkl. Nachtwanderung auf den Schwanberg). Hier treffe ich mich mit meinen Doktorand:innen und Habilitand:innen zum Sommer-Kolloquium. Und hier im Friedwald möchten Alexandra und ich vielleicht auch einmal begraben werden. In jedem Fall gibt es auf hier mit dem Kapellrangen einen der weltschönsten Sundowner-Plätze überhaupt…

Jedes Jahr nehme ich mir hier eine sommerliche Auszeit zum Joggen und Beten, Denken und Schreiben. Durchatmen, ins Offene schauen und Weite tanken. Den Kopf frei bekommen. Respirare. Einfach so. So einfach. Mein liebster Blick geht durch ein verstecktes Tor des Schlosshofes in die Landschaft. Eine atemberaubende Aussicht, die mich an die Melodie meines Lebens erinnert: „Er führte mich hinaus ins Weite.“ (Ps 18, 20). Man schaut ins Land, das wie eine grenzenlose Möglichkeit vor einem liegt: „Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen, daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern‘, und verstehe die Freiheit, aufzubrechen, wohin er will.“ (Friedrich Hölderlin).

Frank und frei  

Terroir F – so heißen hier die schönsten Aussichtpunkte im Weinberg. Franken ist der terrestrische Kontext, in den ich hineingeboren und aus dem ich herausgewachsen bin. Heimat in einer offenen Welt. Hier habe ich Leben gelernt – und Theologie: bei Franken und Franzosen. Oder besser: in Franken von grenzgängerischen Franzosen wie dem Dominikaner M.-Dominique Chenu oder dem Jesuiten Michel de Certeau. Heiliger Boden: terre sainte (im Sinne entgrenzter Offenheit), nicht terre sacrée (im Sinne grenzbewehrter Geschlossenheit) – denn vom Terroir zum Terror („Blut und Boden“) ist es nicht weit.

Ich war bin meinem Leben bisher (wenn man einmal nur die Orte nimmt, an denen ich länger gelebt habe): Würzburger, Shrirampurer, Berliner, Nürnberger, Pariser, Tübinger, Innsbrucker und Münsteraner. Mit anderen Worten: Ein weltoffener Europäer. Oder: Ein mehrheimischer Franke (den Begriff des ‚Mehrheimischen‘ statt des ‚Einheimischen‘ habe ich von Erol Yildiz gelernt). Frank und frei, oder auch (mit Willy Brandt): Links und frei. Terroirbezogen und weltgeöffnet zugleich. Denn, so der Franzose Bruno Latour in seinem Terrestrischen Manifest: „Der Boden ermöglicht Bindung, die Welt Entbindung.“