Persönliches in der Theologie

Auf ein Bier mit einem Kollegen, mit dem ich mich freundschaftlich verbunden fühle. Viele Themen, klare Differenzen – in wechselseitiger Wertschätzung kontrovers diskutiert. Besseres Verstehen. Dabei auch eine Frage, die in den Gesprächen der letzten Wochen und Monate ab und zu auch anderswo aufgetaucht ist: Warum baust du in theologische Texte häufig auch biografische Geschichten ein? Und warum postest du in den Sozialen Medien nicht nur Fachliches, sondern hin und wieder auch Persönliches?

Meine Antwort fällt, sachbezogen gezwungenermaßen, etwas nerdy aus und betrifft in fundamentaler Weise den Wissenschaftsbegriff: Ich tue das, weil auch wissenschaftliche Theologie ein „situiertes Wissen“ (Donna Haraway) darstellt. Sie ist niemals losgelöst von Biografie und Kontext – und mich interessiert genau das auch bei anderen Theolog:innen: Wovon leben sie eigentlich und wofür?

Persönliche (nicht private!) Bilder und Narrative legen diesen häufig versteckt wirksamen Zusammenhang von (scheinbar rein) Objektivem und (vermeintlich nicht) Subjektivem offen. Schaffen sie die Gratwanderung, dabei jenseits von Exibitionismus und Voyeurismus zu bleiben, dann können sie theologischen Aussagen einen lebensweltlichen Ort geben. Denn sie sind immer eingebettet in individuelle und kollektive Kontexte, mit denen sie in konstitutiver (und nicht nur in applikativer) Weise verbunden sind.

Und sie relativieren diese Aussagen zugleich auch auf eine epistemisch grundlegende Weise. Was einen konkreten Ort hat, kann nämlich keinen universalen Geltungsanspruch mehr formulieren. Es ist vielmehr unhintergehbar perspektivisch, d. h. auf eine konstitutive Weise ortsgebunden – und daher historisch kontingent. Das heißt: Es könnte, je nach Biografie und Kontext, auch ganz anders sein.

Diese notwendige Selbstrelativierung ist ein Gebot wissenschaftlicher Redlichkeit. Theologie geht nicht ohne die erste Person Singular (auch wenn sie nicht darin aufgeht, d.h. intersubjektiv kommunizierbar sein muss). Das macht sie so spannend, aber auch so angreifbar (wie alle Wissenschaften). Objektivität ist dabei nie in absoluter Weise erreichbar, gleichwohl in relativer Weise anzuzielen. Eigene Subjektivitäten sind dabei stets im Gespräch mit anderen Subjektivitäten abzugleichen, d.h. näherungsweise objektivierend zu relativieren.

Auf welche Weise der Kontakt zwischen Fachlichem und Persönlichem dann z. B. in der expressiven Subjektivität der Sozialen Medien hergestellt (am besten nicht ohne ein selbstironisches Augenzwinkern) und für wie gelungen es im Einzelfall gehalten wird, steht auf einem anderen Blatt. Es ist eine epistemische Geschmacksfrage, die auf einer anderen Ebene liegt und über die sich nur schwer streiten lässt.

Im Fall des Gelingens kann der Effekt im theologisch diskurskonstitutiven Wechselspiel von Fremdem und Eigenem jedenfalls ein befreiender sein: Bilder rufen Bilder wach. Und Geschichten zeugen Geschichten. „Hearing to speech“ (Nelle Morton), narrativ gewendet: Die EIGENE Geschichte so erzählen, dass andere in das Erzählen IHRER eigenen Geschichte finden. Ohne geht es jedenfalls nicht.