Kongresseröffnung

Wo gehobelt wird, da fallen nicht nur Späne – dort können auch Ideen purzeln. Zumindest in der Pastoraltheologie. Und zumindest dann, wenn sie ihren Job gut macht. Daher auch dieser Werkstattkongress. Erwachsen ist er aus der Erschöpfung des AG-Vorstandes nach dem großen Berliner Jubiläumskongress im vergangenen Jahr. Schlank sollte er sein, kein großer Aufwand. Mit viel Partizipation und einer offenen Struktur. Ein interaktiver Werkstatt-Kongress, der spannende Einblicke in pastoraltheologische Forschung ermöglicht. Der aus dem Verkaufsraum des Fachs durch dessen Hintertür in die Werkstatt führt: Behind the scenes.

Dort macht er aktuelle Werkstücke der Pastoraltheologie in ihrer handwerklichen Entstehung weiterführend diskutierbar –inklusive eines wechselseitig gleichstufigen Theorie-Praxis- bzw. Praxis-Theorie-Transfers, von der Theologie zur Pastoral und von der Pastoral zur Theologie:

  • Was sind Themen?
  • Wie wird hier gearbeitet?
  • Wer forscht eigentlich woran wozu?

Theologie als Handwerk

Pastoraltheologie ist eine Kunst, d.h. sie ist mehr als nur der korrekte Gebrauch ihrer wissenschaftlichen Werkzeuge. Als solche ist sie in ihrer Theoriearbeit aber immer auch zugleich ein praktisches Handwerk – und das erlernt man eben in der Werkstatt. Dazu braucht es, was Richard Sennett in seiner virtuosen, eng am historischen Material gearbeiteten Kulturgeschichte des Handwerk als handwerklichen Dreischritt beschreibt: das Lokalisieren von Problemen, das Fragen nach deren Ursachen und das Öffnen von Möglichkeiten – wozu für ihn immer auch die „Arbeit mit Widerständen oder der Umgang mit Mehrdeutigkeit“ gehört. Richard Sennett:

„Bei der Fähigkeit des Lokalisierens geht es darum, herauszufinden, wo Wichtiges geschieht [z. B. als Gegebensein von Unebenheiten im Holz]. […] Bei der Fähigkeit des Fragens geht es um die Erforschung des Lokalen. [Dazu braucht es Neugier, d.h.] […] eine Erfahrung, in der Entscheidungen in der Schwebe gehalten werden, damit man die Dinge erkunden kann. […] Die Fähigkeit, ein Problem zu öffnen, beruht auf [in Klammern: abduktiven] Intuitionssprüngen und insbesondere auf dem Vermögen, verschiedenartige Bereiche einander anzunähern […]. Schon der Wechsel zwischen Tätigkeitsbereichen regt dazu an, über ein Problem neu nachzudenken. Das ‚Öffnen‘ ist eng mit der Offenheit in dem Sinn verbunden, dass man bereit ist, Dinge auch anders zu tun und [im Bruch mit eingespurten Alltagsroutinen] von einer Gewohnheit zur anderen zu wechseln.“

Egal, ob wir einen Tisch bauen oder einen Text schreiben – beim Handwerk geht es immer um ein WERK: ein Ergebnis, ein nutzbares Produkt. Doing pastoral theology ist daher nicht nur ein ästhetisch-darstellendes, sondern auch ein poietisch-herstellendes Tun. Es geht um einen schöpferischen Prozess, bei dem am Ende auch wirklich etwas herauskommt. Ein theologisches Werkstück, das die Welt unserer Dinge, Affekte und Ideen bereichert und im besten Fall auch ein Stückchen besser macht. Und das als ein Ergebnis von Wissen, Erfahrung und Kreativität zugleich auch den handwerklich Wirkenden Wirksamkeit ermöglicht.

Für dieses Werk braucht es die HAND: Ihr Tasten und ihr Greifen. Ihr Hobeln und ihr Drehen. Ihr Schrauben und ihr Drücken. Ihr Leimen und ihr Schleifen. Pastoraltheologie ist daher nicht nur Handlungswissenschaft, sondern auch ‚Handwissenschaft‘. Handmade-Theologie. Manufactum: mit der Hand gemacht. Wissenschaft – nicht nur mit Augenmaß, sondern auch mit Fingerspitzengefühl.

Pastoraltheologie ist ein entsprechend handwerkliches doing theory jenseits von Zynismus, aber auch diesseits von Romantik. Dazu abschließend noch eine in kritischer Weise fachbezogen einschränkende Selbstbeobachtung: Auch in der Werkstatt der Pastoraltheologie gibt es nicht potenziell problematische Verwertungsabsichten und Machtasymmetrien, Systemzwänge und Entfremdungserfahrungen. Aber eben auch das Andere: das Glück etwas Taugliches herzustellen – kooperativ und kokreativ, inspirierend und konspirierend.

Werkstatt-Kongress

Als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Pastoraltheologie erhoffe ich mir genau das für diesen handgemachten Werkstattkongress, zu dem ich Sie alle sehr herzlich begrüße.

Nicht nur im Namen des Vorstands, sondern im Namen der gesamten Arbeitsgemeinschaft danke ich dem so bunt wie unser Fach zusammengesetzten Vorbereitungsteam sehr für die immense Arbeit der Vorbereitung, die sich weitgehend dort abgespielt hat, wohin dieser Kongress uns alle locken möchte: Behind the scenes. Um alle Vorbereitenden namentlich in alphabetischer Reihe zu nennen:

  • Catalina Cerda-Planas, Mirjam Henkes, Sebastian Kießig, Christoph Rüdesheim, Julia Scharla und Hildegard Wustmans,
  • Madeleine Helbig-Londo und Lucas Gaa von der Geschäftsführung der AG
  • sowie last, not least als Hauptverantwortlicher und Frankfurter Gastgeber: Wolfgang Beck.

Dieser Kongress stellt einen werkstättlichen Raum zur Verfügung, in dem sich wirklich etwas ereignen kann: vor und hinter den Kulissen. Mit Jacques Derrida bin ich gespannt, was es im Futur 2 „gewesen sein wird“: Welche Inspirationen sich ereignet haben, welche Leerstellen geblieben sein und welche Muster erkennbar geworden sein werden – und übergebe damit an unser wunderbares diesmaliges Moderationsteam:

Mirjam Henkes und Lucas Gaa.


Beitragsbild: Pixabay